Sensation in der Bachstadt

Westvororte/JFC holt Dreier beim Tabellenführer

(02.10.2022) Wir denken schon, dass der Stadionsprecher der Arnstädter unsere Mannschaft meinte, als er die SG Gera-Westerpforte herzlich begrüßte.

Auch sonst waren gestern beim Gastgeber alle sehr nett. Wir wurden freundlich empfangen. Lange Schlangen gab es nicht. Bedingt wohl auch, weil nur enttäuschende und nach dem Spiel enttäuschte 41 Zuschauer ihren Tabellenführer im Jahnstadion sehen wollten. Die vier Jungs am Einlass allerdings, der Mann am Rosterstand und die junge Frau am Getränkefenster waren äußerst zuvorkommend.

Unsere Jungs allerdings wollten den Dank nicht mit Punkten für den Gastgeber zurückgeben, wie es wohl gefühlte 99 % der Fußballfans in Thüringen vermuteten.

Und aufgrund des Tabellenstandes und der Platzierung der beiden Kontrahenten sowie des quantitativ stark dezimierten Kaders der Scheubengrobsdorfer kann man es diesen 99 % nicht einmal übelnehmen.

Normalerweise würde man den Spielbericht nun im nächsten Satz mit dem Wort „OHNE“ beginnen … und dann all die Namen aufzählen, die unserem Team gestern in Arnstadt nicht zur Verfügung standen.

Wir aber beginnen nicht mit dem Wort „OHNE“, sondern mit dem Wort „MIT“.

Mit Teamplay, mit Kampf, mit Leidenschaft, mit dem unbändigen Willen aus Arnstadt mehr als eine deftige Niederlage mit nach Hause zu nehmen, lief das Team auf. Und es kompensierte die gesperrten und verletzten Spieler. Ohne diese, aber mit den eben genannten Tugenden schaffte man die Überraschung, wenn wir nicht gar von einer kleinen Sensation sprechen sollten.

Nachdem der Gastgeber das Spiel kurzerhand in das Jahnstadion verlegte, konnte einem beim Anblick der Größe des Platzes Angst und Bange werden. Allerdings bot er auch perfekte Bedingungen, die ein von Sonnenschein begleitetes einseitiges Fußballspiel erwarten ließen.

Aber weit gefehlt. Zwar schlug der Tabellenführer die etwas feinere Klinge, ließ erkennen, dass man auch schon Oberliga spielte und versuchte dem Gast aus dem Dorf ganz spielerisch Herr zu werden. Dies gelang den Männern von Trainer Martin Hauswald bis kurz vor den Strafraum auch recht ordentlich. Dann aber war Schluss. Den ganz in weiß gekleideten Arnstädtern fiel ab da nicht mehr viel ein.

Auf der anderen Seite verpuffen die Entlastungsangriffe des TSV ebenfalls noch weit vor der gefährlichen Zone. Einmal wird es dann allerdings doch so richtig gefährlich. Nach Zuckerpass von Tim Richter hinter die Kette stand Markus Klotz blank, aber leider auch einen halben Meter im Abseits. So könnte es aber funktionieren.

Und genau so ist auch der Plan. Nach vorn sieht sich der Favorit immer wieder der blauen Wand mit dem weißen ad hoc Logo auf der Brust gegenüber und läuft vergebens an. Auf der anderen Seite abermals ein Konter. Nach dem Mouctar Diallo seinem ersten Gegenspieler davonlief, seinen zweiten Gegenspieler hat aussteigen lassen, konnte sich der dritte Verteidiger nur per Foulspiel erwehren, sonst wäre unsere Nummer #7 wohl durch gewesen.

Den fälligen Freistoß aus circa 18 m und halbrechter Position zirkelt unser Kapitän Tim Richter mit links um die Mauer und zwingt den Arnstädter Torhüter Valentin Henning damit zu einer Glanzparade.

Arnstadt versucht es nun vermehrt über die Außen. Und mit Flanken. Aber entweder ist unsere Nummer #1 Cedric Thrum zur Stelle oder die eigentlich sehr gefühlvoll und gefährlich nach innen geschlagenen Bälle finden keinen Abnehmer.

Eine halbe Stunde ohne Gegentor ist bereits geschafft. Westvororte/JFC wird etwas mutiger. Abermals wird der Arnstädter Torhüter geprüft, abermals haben wir eine Ecke. Abermals bringt diese jedoch nichts ein. Mit dem Zwischenstand nach jetzt genau 32 Minuten können wir aber trotzdem sehr gut leben, sind wir im Gegensatz zur Trainerbank der Hauswald-Elf so richtig zufrieden. Ein erstes leichtes Schmunzeln macht sich auf unseren Gesichtern breit.

Arnstadt weiterhin mit mehr Ballbesitz. Die vielen Abspielfehler im Spielaufbau kommen allerdings unserer Mannschaft zugute, die dadurch immer wieder durchatmen kann. Mit dem Pausenpfiff ist ein nächster großer Schritt vollbracht, nimmt man doch die Null mit in die Kabine, auch weil man kurz vor der Pause mit Fortuna im Bunde war, als es sich nur um Millimeter handelte und der Ball von der Unterkante der Latte unseres Tores zurück ins Spielfeld sprang.

Die zweite Hälfte beginnt mit einem überraschenden Angriff der Weiß-Blauen. Dieser kann nur durch ein recht grobes Foulspiel an Philipp Rehnelt unterbrochen werden, bei dem Schiedsrichter Steffen Krech, der auf beiden Seiten eine recht großzügige Linie fuhr, nichts anderes übrig blieb, als Gelb zu zeigen.

Arnstadt tut sich weiterhin schwer. Man findet gegen die organisierte, disziplinierte und aufopferungsvolle Abwehrarbeit des Tabellenletzten keine richtigen und zwingenden Mittel. Auf der Gastgeber-Bank macht sich so langsam Ratlosigkeit breit.

Und genau 10 Minuten nach Wiederbeginn wird diese noch größer, als es Maximilian Kurth ist, der sich wie schon beim letzten Spiel gegen Heiligenstadt per Kopf zum Matchwinner aufschwang, auch diesmal trifft. Den von Tim Richter mit viel Gefühl flach über die Köpfe der Spieler hinweg in den Strafraum geschlagenen Freistoß verlängert unser Abwehrchef, der bei Standardsituationen immer wieder mit aufrückte, mit einer leichten Kopfbewegung, mit der er dem Ball eine kleine Richtungsänderung zufügte und  trifft aus gut 10 Metern unhaltbar ins lange Eck .

Der Jubel bei unseren ganz in blau gekleideten Jungs fiel allerdings sehr verhalten aus, mochte man selbst nicht so richtig glauben, was hier gerade passiert.

Spielt man heute ein Spiel für die Scheubengrobsdorfer Geschichtsbücher? Noch aber sind gut 30 Minuten auf der Uhr. Und das Schmunzeln in unserem Gesicht wird etwas breiter.

Arnstadt hat noch Reserven. Zum Beispiel die Nummer 16, Johannes Ruschke. Der 2,02 Meter große Stürmer ersetzt nun in vorderster Front einen Abwehrspieler, der für ihn weichen muss. Vielleicht haben wir es in genau diesem Moment ein wenig dem Arnstädter Trainer zu verdanken, dass seine Entscheidung, alles auf die 16 zu setzen, nicht die Beste war?!

Denn mit Johannes Ruschke im Sturmzentrum war das System und die Taktik der haushoch favorisierten Gastgeber auf einmal ganz leicht zu durchschauen.

Bis dato gefiel man durch ansehnlichen und attraktiven Fußball, mit dem, hätte man ihn so weiter gespielt wie in den ersten 45 Minuten, wohl ein oder mehrere Punkte für die Hausherren heraugesprungen wären. Apropos gesprungen. Trotz des Riesens im Sturmzentrum hatten weiterhin fast nur unsere Innenverteidiger um Maximilian Kurth, Jonas Kölling und Julian Wolfram im Strafraum die Lufthoheit oder die Hände unseres Keepers fischten das Leder sicher aus der Gefahrenzone. Was dennoch flach in den Strafraum kam, wurde „weggekrätzscht“ oder fiel der vielbeinigen und aufopferungsvoll kämpfenden Geraer Abwehr zum Opfer.

Das ein oder andere Male ließ es sich natürlich nicht vermeiden, mit ungewollten oder taktischen Fouls einen Gegentreffer zu verhindern. Die zwei gelben Karten, die man sich heute auf die Habenseite schreiben durfte, sind aber sicherlich leichter zu verschmerzen als ein eventuelles Gegentor. Ein kleiner Gruß nach Ronneburg und ein verschmitztes Augenzwinkern dürfen an dieser Stelle natürlich nicht fehlen.

Aber weiter. Kurz nach der zweiten Gelben die nächste Möglichkeit für den Platzeigner. Im eins zu eins bleibt unsere Nummer #1 allerdings Sieger und hält weiterhin die null. Klasse, Cedric!

Die Kräfte lassen aber jetzt so langsam nach. Wir können nun auch kaum noch für Entlastung sorgen, sind aber in unserer Defensive weiterhin sehr gut organisiert. Dennoch ergeben sich für die Hausherren Möglichkeiten, wie auch jetzt in der 75. Minute, als ein Arnstädter Spieler etwa 10 m vor dem Tor völlig frei steht, sein Schuss mit der Innenseite das Tor aber glücklicherweise verfehlt.

Der Trainer der Arnstädter, Martin Hauswald, schaut vermehrt auf seine Uhr. Ihm und seinen Mannen läuft, ja rennt, die Zeit davon. Nur noch etwa 15 Minuten plus Nachspielzeit. Hat der Trainer noch einen Plan?

Der für Jonas Tämmler eingewechselte Amadeo Pelargu hat bei seiner ersten Offensivaktion, einem der wenigen Entlastungsangriffe der Scheubengrobsdorfer, gleich eine gute Möglichkeit, kann sich aber im Konter nach einem langen Pass im Laufduell gegen zwei Abwehrspieler nicht entscheidend durchsetzen, lässt unsere Hintermannschaft aber kurz durchatmen. Ecke.

Das wird jetzt noch eine spannende und anstrengende Schluss-Viertelstunde. Auch wir schauen nun permanent auf die Uhr. Unsere läuft gefühlt allerdings etwas langsamer als die des SV 09 Arnstadt. Der versucht es weiterhin fast nur mit hohen Bällen in den Strafraum. Man sucht nur die 16.

Wir sind zwar auf diese taktische Variante eingestellt, allerdings lauert bei jedem Ball dennoch die Gefahr des Ausgleichstreffers, wie auch in der 78. Minute, als erst Cedric Thrum stark abwehren kann und der Nachschuss sein Ziel glücklicherweise verfehlt. Und noch einmal. Unsere Nummer #1 macht sich lang und kratzt das Leder nach einem gefühlvollen Schlenzer mit den Fingerspitzen aus dem Angel und holt sich verdientermaßen die zur  Faust geballten Glückwünsche seiner Vorderleute ab.

Nur eine Minute später schien die Taktik von Martin Hauswald doch noch aufzugehen. Ein einziges Mal schlich sich eine Unaufmerksamkeit in unsere Defensive ein, die es dem 2,02 Meter-Mann ermöglichte sich seiner Bewachung zu entziehen und etwa drei Meter vor dem Tor völlig frei zum Kopfball zu kommen. Unverständlicherweise vergibt er diese 100-prozentige Möglichkeit und köpft neben das Tor. Puh, Glück gehabt

Durchatmen. Konzentrieren. Wachsam bleiben. Die Null halten. Jungs, bitte! Noch sechs oder sieben Minuten. Ihr schafft das! Jetzt überschlagen sich die Ereignisse.

Vier oder fünf Ecken in Folge für den Gastgeber. Der ganz in grün gekleidete Torhüter Valentin Henning nun selbst im Sturmzentrum. Dort allerdings steigt die Faust unseres Keepers am höchsten und boxt das Leder aus der Gefahrenzone.

Nach einer weiteren dieser Ecken endlich wieder mal eine kurze Entlastung. Der Konter, den Mouctar Diallo von der Mittellinie aus per Torschuss gen leeres Gehäuse abschließen will, findet allerdings nicht sein Ziel, so dass die endgültige Entscheidung vertagt ist und das Spiel weiterhin auf Messers Schneide steht. Maximilian Kurth unterbindet einen schnellen Angriff der Hausherren etwas unfair, kommt nach seinem cleveren taktischen Foul per Trikot-Zupfer aber glücklicherweise um Gelb herum.

Jetzt nochmal Glück für uns, dass der Schiedsrichter an seiner von Beginn an festgelegten großzügigen Linie auch in der hektische Schlussphase festhält, als Philipp Rehnelt im eigenen Strafraum wohl doch etwas ungestüm zur Sache geht.

Weil es der Trainer unserer Gastgeber aber ganz anders gesehen hat als der Schiedsrichter und lautstark mit ihm darüber debattiert, sah er sich kurz darauf dem gelben Karton vis-a-vis. Jetzt noch circa zwei oder drei Minuten. Wir beobachten den Schiedsrichter und warten, ob er eine Nachspielzeit anzeigt und wenn ja, wie viel Minuten.

Puh, fünf. Fünf Minuten. Die Hand mit vier ausgestreckten Fingern und dem Daumen geht deutlich nach oben. Hauswald treibt seine Jungs nochmals mit Händen und Füßen an. Aber mehr als ein oder zwei hohe Bälle, die unsere Abwehr im Verbund mit unserer Nummer #1 routiniert verteidigt, springen für die Hausherren nicht mehr heraus, so dass nach insgesamt 97 (!) Minuten der Schlusspfiff ohne Arnstädter Tor ertönt und sich unsere Jungs fix und fertig in den Armen liegen.

Wer hätte das gedacht?! Und, wir glauben nicht, dass wir übertreiben, wenn wir von einer kleinen Sensation sprechen. Immerhin standen sich der Tabellenführer und der Tabellenletzte, der nach diesem grandiosen Sieg die rote Laterne an Schleiz, unseren nächsten Gegner am kommenden Samstag zu Hause, abgegeben hat, gegenüber.

Ohne Worte …

#ausgerafürgera
#newgeneration