Der Sportliche Leiter der SG Gera-Westvororte fordert, die Ruhe zu bewahren

Fußball-Thüringenligist SG Gera-Westvororte ist wenig erfolgreich in seine vierte Saison in der höchsten Spielklasse des Freistaats gestartet. Wir unterhielten uns mit dem Sportlichen Leiter der Saarbachtaler, Heiko Linke über die schwierigen nächsten Wochen:

Erst das Pokal-Aus in Schmölln, dann die 1:6-Klatsche zum Punktspielauftakt bei Neuling Glücksbrunn Schweina – viel schlimmer hätte es zum Saisonstart nicht kommen können …

Wenn man zwei Spiele so verliert, gibt es nichts zu beschönigen. Aber wir waren in Schmölln nicht so schlecht und hatten auch in Schweina 20 ausgeglichene Anfangsminuten mit drei Torchancen für uns. Bei den Gegentoren haben wir uns aber dilletantisch angestellt. Angesichts des Durchschnittsalters von nur 21 Jahren kann das aber passieren. Die Spieler müssen schnell lernen. Ein Kicker aus dem JFC-Nachwuchs ist es nicht gewohnt zu verlieren. Das ist ein Prozess. Aber wir haben Vertrauen in unseren Kader, stehen sportlich nicht wirklich unter Druck.

Lange galt die SG Gera-Westvororte als ein Beispiel dafür, wie mit beispielhaftem Teamgeist und auf Geraer Spieler setzend auch ohne viel Geld erfolgsreicher Fußball dargeboten werden kann. Woran mangelt es gerade?

Die Mannschaft hat sich in den letzten zwölf Jahren vom Abstiegsanwärter der Kreisoberliga zum Thüringenligisten entwickelt. Der Vorstand ist aber im gleichen Maße nicht mitgewachsen. Wir haben viele fleißige Menschen bei uns im Vorstand. Nachwuchs-Experten, Handwerker – alle leisten eine tolle ehrenamtliche Arbeit. Nur mit Fußball kennt sich keiner wirklich aus. Geschweige denn damit, wie man eine Thüringenliga-Mannschaft führt und erhält.

Ist der Klassenerhalt unter diesen Bedingungen überhaupt machbar?

Das ist jedenfalls unser Ziel. Als wir 2019 in der Thüringenliga begonnen haben, haben wir mit den gestandenen Spielern wie Clemens Bierbaum, Marcus Schneider oder Tom Eichberger die ersten fünf Pflichtspiele allesamt verloren. Jetzt haben wir gerade einmal zwei Niederlagen kassiert. Also sollten  wir Ruhe bewahren. Gleichzeitig sind wir natürlich Realisten. Ich sage immer: Wir sind der einzige Verein in der Thüringenliga ohne Bahnhof. Wir haben keine Legionäre im Team. Alles sind Gersche Jungs. Wir spielen jetzt das vierte Jahr am Limit. Ein eventueller Abstieg in die Landesklasse würde uns nicht umwerfen.

Zehn Abgänge im letzten Sommer lassen sich nicht so einfach kompensieren. Gab es dafür Gründe?

Quantitativ haben wir die Abgänge wettgemacht, qualitativ natürlich nicht. Ein A-Junior mit einer tollen Grundausbildung – der JFC Gera leistet da eine hervorragende Arbeit – kann noch nicht so weit sein wie vielleicht ein Martin Ludwig, Martin Gerold, Daniel Gehrt, Dominik Klammt oder Maximilian Dörlitz. Aber er wird sich entwickeln, was aber Zeit und Führung braucht. Auf der anderen Seite muss sich der Vorstand natürlich an die eigene Nase fassen. Zwei, drei Jahre lang hat man sich auf dem sportlichen Erfolg der Mannschaft ausgeruht. Dadurch ist bei den Spielern eine gewisse Unzufriedenheit entstanden, die dann in einem Vereinswechsel oder dem Karriereende mündete. Bei mehr Engagement wäre der eine oder andere Abgang zu verhindern gewesen. Es ist nicht zu unterschätzen, wenn gewachsene Strukturen in einem Verein nach vielen Jahren aufgebrochen und verändert werden. Allein der Umbruch im Vorstand nach dem Rücktritt von Michael Pannach hat viele vor große Herausforderungen gestellt, denen manche nur mit großen Worten begegneten.

Jetzt ist die Lage aber so. Also wie weiter?

Wir haben viel im Vorstand darüber diskutiert auf den letzten Sitzungen. Alle haben sich einsichtig gezeigt. Sie wollen wieder mehr Kontakt zur Mannschaft pflegen, damit sich die gemachten Fehler nicht wiederholen. Seit letztem Frühjahr bin ich wieder im Vorstand mit dabei. Ich stecke viel Energie und Leidenschaft in die Arbeit, habe eine hohe Erwartungshaltung an mich selbst. Bei Westvororte ist generell viel Idealismus im Spiel. Das lebe ich vor. Die Kicker haben keine Grundgagen, erhalten eine minimale Punkt- oder Siegprämie und die Studenten von außerhalb eine niedrige Aufwandsentschädigung. Wer bei uns spielt, ist deshalb meist jung und hungrig.

Nun folgen zwei Heimspiele gegen Eisenberg und Erfurt Nord. Gelingt da ein Erfolgserlebnis?

Das wäre nicht schlecht. Mit Tim Richter, Bosse Struz und Markus Klotz, von dem ich sehr viel halte, stehen gegen Eisenberg wichtige Spieler zur Verfügung, die in Schweina nicht dabei waren. Diesmal sind wir breiter aufgestellt und werden versuchen zu punkten. Im Falle einer Negativserie ist die psychologische Komponente bei einer jungen Mannschaft wie unserer nicht zu vernachlässigen. In der Winterpause werden wir vielleicht noch die eine oder andere Verstärkung tätigen. Jetzt sind wir erst einmal froh, dass uns ein 20er Kader zur Verfügung steht. Die Jungs können alle Fußballspielen. Das wollen sie am Sonnabend gegen Eisenberg auf dem Platz beweisen. (Interview und Foto: Jens Lohse)