Sensation. Oberligist scheitert in Scheuben
(10.10.2021) Traumhafte äußere Bedingungen. Achtelfinale im Pokal. Ein Oberligist in Gera. Was will man zum Samstag Nachmittag mehr?! Das Los des Thüringer Fußballverbandes hat uns mit dem FC Einheit Rudolstadt allerdings eine schier unlösbare Aufgabe beschert. Die Rollen sind klar verteilt, dennoch beginnt der TSV selbstbewusst.
Schneider‘s Kopfball ist für den Rudolstädter Keeper nach drei Minuten kein Problem. Problematischer hingegen die Situation für unsere SG nach nur acht Minuten, als Benjamin Bahner nach einem Eckball aus ca. acht Metern erfolgreich ist und den Favoriten mit Hilfe des Innenpfostens per Kopf in Führung bringt.
Vom Anstoß weg, und wohl ein wenig der frühen Führung der Gäste geschuldet, ist bei den Hausherren eine gewisse Unsicherheit zu verspüren. Als wir in der Vorwärtsbewegung den Ball verlieren, ist Florian Giebel auf und davon und kann von Julius Jurke im letzen Moment nur unfair gestoppt werden. Notbremse? Spielen wir die nächsten 75 Minuten in Unterzahl?
Wir blicken gespannt auf den Unparteiischen. Glück für die Weiß-Blauen, dass der nur nach dem gelben Karton greift. Den fälligen Freistoß aus ca. 20 Metern vergeben die Gäste leichtfertig. Rudolstadt aber weiter am Drücker. Die Anfangsphase ist heute nicht unsere. Aber so nach und nach beißen wir uns ins Spiel.
Die nächste Möglichkeit aber erst einmal wieder für die Gäste nach einem schnellen Seitenwechsel. Bahner aber überhastet und auch über’s Tor. Auf dem Spielfeld geht es derweil sehr lautstark zu. Warum Rudolstadt ständig einen Freistoß oder eine gelbe Karte fordert, ist uns unklar. In unseren Augen macht der Schiri das bisher sehr gut. Daran sollte sich auch bis zur 96. Minute nichts ändern.
Das Hauptgeschehen findet vorübergehend nur zwischen den Strafräumen statt. Große Chancen und Boxgetümmel bleiben Mangelware. Auch nach einer halben Stunde gibt es keine nennenswerten Möglichkeiten zu verzeichnen. In den Zweikämpfen allerdings geht es zur Sache. Aber alles noch im Rahmen. Schiedsrichter Tarik El-Hallag bleibt bei seiner Linie. Auf beiden Seiten. Ein Klassenunterschied ist bis dato nicht zu sehen. Das ein oder andere mal erkennt man kurz, aber auch nur ganz kurz, die höherklassige Mannschaft. Man schiebt sich den Ball abgezockt zu und spielt schon jetzt ein wenig auf Zeit. Insgesamt ist das Spiel aber von vielen Fehlpässen geprägt.
Dann aber nimmt die Begegnung auf einmal Fahrt auf. Nach einer Ecke von Franz Hoffmann köpft Julius Jurke den scheinbar schon zu weit geschlagenen Ball wieder in die Mitte wo er Maximilian Dörlitz findet, der sich gegen zwei gegnerische Verteidiger behauptet und das Leder aus Nahdistanz unter die Latte drischt. Ja! Tor! 1:1.
Aufgrund der Bemühungen des Gastgebers ist der Ausgleich nicht unverdient, bezeichnend für das bisherige Spiel aber, dass beide Tore nach Standards gefallen sind.
Rudolstadt kommt nicht so wie gewünscht ins Spiel. Westvororte/JFC attackiert unter großem Aufwand früh. Immer wieder läuft man den Gast in dessen Hälfte an. Hoffentlich reicht, wenn wir das so fortführen, die Kraft über 90 Minuten. Der Favorit versucht es mit kurzen Pässen auf engem Raum. Meist ist aber ein Scheubengrobsdorfer Fuß dazwischen, sodass der Oberligist sein spielerisches Potenzial nicht ausschöpfen kann.
Jetzt knallt es im Fünfmeterraum der Gäste. Schneider, Kurth und zwei Gegenspieler prallen zusammen. Als Kurth den Ball über die Linie spitzeln will, wirft sich auch noch der Keeper dazwischen. Chance vertan. Der Rudolstädtper Torhüter geht zu Boden, kann aber kurz darauf weiterspielen. Mit dieser bisher größten Chance im Spiel und einem insgesamt leistungsgerechten Unentschieden geht es in die Pause.
Die zweite Hälfte beginnt mit einem schönen Angriff unserer Jungs, den Martin Gerold nach zwei schnellen Doppelpässen, bei denen der Gast unseren Mannen nur hinterherschauen kann, volley abschließt, den Kasten aber verfehlt. Auf der anderen Seite treibt Bierbaum seine Mannen immer wieder verbal an. Vorn arbeitet Schneider wieder unermüdlich. Und das hat Erfolg.
Nach einem schnellen Gegenstoß über rechts gelangt das Leder in den gegnerischen Strafraum. Bosse Strutz trifft unter gütlicher Mithilfe des Rudolstädter Torhüters Max Bresemann von halb links aus ca. 10 Metern zum 2:1. Westvororte/JFC hat das Spiel gedreht. Jetzt führt der krasse Außenseiter. Wahnsinn. Wie reagiert der Favorit aus Rudolstadt?
Und unsere Jungs wollen gleich scharf nachwaschen. Wieder eine unübersichtliche Situation im Rudolstädter Strafraum. Ein Verteidiger kann jedoch in höchster Not klären und den Ball mit viel Wucht und unkonventionell aus der Gefahrenzone befördern.
Das Spiel wird besser und schneller. Logisch. Das Dorf führt, Rudolstadt muss kommen. Und Rudolstadt kommt. Jetzt Glück für uns, dass der Schiri in einer strittigen Situation nicht auf Strafstoß für Rudolstadt entscheidet. Wie wir später erfahren, war es kein Foul. Selbst konnten wir es aber bei der Schnelle der Situation nicht erkennen. Der Schiedsrichter scheint jedoch abermals die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Und schon wieder Rudolstadt. Der Abschluss aber zu schwach. Der Oberligist versucht es nun immer wieder. Vorerst bleibt es aber beim Versuch. Auch jetzt? Ja, auch jetzt. Auch, weil wir alle hellwach sind.
Plötzlich wieder der Gastgeber. Schneider zwingt Bresemann zu einer Glanzparade. Rudolstadt bringt Riemer. Der wird gleich ins Sturmzentrum delegiert, der muss seinen Platz gleich ganz vorn finden. Die letzte Hoffnung? Jetzt knallt Jurke, der heute hinten jedes Kopfballduell und jeden Zweikampf gewonnen hat, aus 20 Metern einen drauf. Aber schon wieder Bresemann. Stark. Der Rudolstädter Keeper hält seine Mannschaft im Spiel.
Nur eine Minute später ist er allerdings machtlos, als Jurke trifft. Der Jubel der Weiß-Blauen ist allerdings verfrüht und auch der Stadionsprecher muss seine überschwängliche Freude und das 3:1 zurücknehmen. Die Anzeigetafel erhält ein Reset auf 2:1. Auch in dieser 73. Minute hat, wie wir nach dem Spiel erfahren haben, der Schiedsrichter wegen eines Handspieles die richtige Entscheidung getroffen.
Jetzt Rehnelt für Kurth. Der kann nicht mehr. Der hat heute ein Riesen Spiel gemacht. Der hat wie seine Mitstreiter alles gegeben. Die Schlussviertelstunde bricht an. Rudolstadt versucht es nun mit Gewalt. Wir verteidigen. Das müssen wir auch. Mit Glück und Geschick. Rudolstadt mit Übergewicht. Wieder eine Chance. Wieder ein Geraer Fuß dazwischen.
Wir müssen jetzt, wenn wir den Ball haben, mal etwas ruhiger agieren. Es ist hektisch. Wir müssen jetzt das Spiel mal beruhigen. Das Spiel, das zehn Minuten vor ultimo auf Messers Schneide steht. Ob das gut geht?!
Jetzt aber spielen wir uns mit zwei herrlichen Doppelpässen durch. Schneider völlig frei, aber auch im Abseits. Schade. Dann geht es wieder ganz schnell. Nur 30 Sekunden später Glück für uns. Nach einem Rudolstädter Abschluss klatscht das Leder ans Aluminium. Das Glück des Tüchtigen!? Hier ist so gut 10 Minuten vor Ende richtig was los. Es geht im Minuten-Takt hin und her.
Die 160 Zuschauer, Fans und alle anderen sportfreunde sehen attraktiven, schnellen und spannenden Fußball. Der Gastgeber führt. Das Wetter immer noch spätsommerlich und traumhaft schön. Knisternde Spannung. Was will man mehr?!?
Rudolstadt findet kein Rezept. Selbst der Trainer kann sich nur mit wenig konstruktiven und lauten Rufen behelfen: Weiter! Vor! Lang!
Auf der anderen Seite zwei Ecken für uns. Beide bringen nichts ein. Aber etwas Entlastung. Es bleibt hektisch. Und immer noch fünf Minuten. Powerplay der Grünen-Gelben. Abschluss. Abgewehrt. Ecke. Aber auch die bringt nichts ein. Noch zwei Minuten. Auf der anderen Seite jetzt eine Chance für uns – wie aus dem Nichts. Rehnelt trifft aber nur das Aussennetz.
Der Schiedsrichter hebt die Hand und zeigt vier Finger ins Rund. Vier Finger, die nicht unser Freund sind.
Jetzt darf auch unser Trainer mal eingreifen. Philipp Schlebe nimmt Zeit von der Uhr und bringt Schäfer für den heute überragenden Gerold.
Aber schon wieder Rudolstadt. Marco Riemer aus zehn Metern. Volley. Aber zu zentral, Bierbaum sicher. Nochmal Bierbaum. Er fängt einen langen Ball ab. Die Grün-Gelben sind der Verzweiflung nah. Nochmal Rudolstadt. Mit langem Futter. Chance vertan. Aber, immer noch zwei Minuten.
Freistoß für die Gäste. Die werden doch nicht etwa … Oder?! Noch einmal touchiert ein Schuss das kurze Eck unseres Tores. Noch eine Minute. Sollte die Nachspielzeit diesmal unser Freund sein, wenigstens einmal, wenigstens heute?
Ja sie ist es! Abgezockt spielen unsere Jungs die letzte Minute runter und dürfen sich wenig später über ihren leidenschaftlichen Auftritt, den sensationellen Sieg über einen Oberligisten und den Einzug ins Viertelfinale des Thüringer Landespokals freuen.
Standing Ovation und lautstarke „Westvororte-Westvororte“ Rufe hallen durch die Saarbach-Arena und begleiteten freudestrahlende Spieler und Betreuer in die Kabine, aus der noch lange nach dem Spiel Jubelhymnen zu hören waren.
Ein Sieg auch für das FairPlay in einem harten aber jederzeit fairen Pokalfight, nach dessen Ende selbst die Fans unserer Gastmannschaft den Scheubengrobsdorfern applaudierten und auch die Rudolstädter Spieler Größe Zeiten, als sie unseren Mannen fair zum Sieg gratulieren.
War dem Rudolstädter Trainer Holger Jähnisch, der auf der Facebook-Seite unserer Gäste von einer verdiente Niederlage spricht, die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, analysierte Philipp Schlebe freudestrahlend: „Ich muss den Jungs heute ein riesen Kompliment machen! Auch wenn sie die ersten 10-15 Minuten nicht voll da waren, haben sie sich in das Spiel hineingearbeitet und als Mannschaft allen Widerständen getrotzt! Man hat heute, meiner Meinung nach, keinen Klassenunterschied erkennen können und wir sind verdient ins Viertelfinale eingezogen.“
Das sehen wir genauso! Und wir sind stolz auf unsere Jungs, auf eine geschlossene Mannschaftsleistung und auf den Man of the Match – das Team 🤍💙 Oder heißt das dann Men of the Match?
Ohne Worte …
#ausgerafürgera
#dasdorfistweiter