Eisvogel Rehnelt ganz cool
(30.10.2022) Da hat man den Tabellenletzten aus Gera bei den Gastgebern trotz verbaler Beschwörungen wohl doch ein wenig unterschätzt. Spielerisch, kämpferisch und erst recht, was die Moral betrifft. Denn diese war wieder einmal überwältigend.
Trotz Rückstand, dem man seit der 23. Minute hinterher lief, und Unterzahl kurz vor ultimo gab man sich gegen den haushohen Favoriten nie auf und hatte insgesamt sogar die größeren Möglichkeiten, um den Ausgleich vielleicht noch viel eher zu erzielen.
Das bis dato aber einzige Tor auf Vorarbeit von Dustin Schmidt erzielt Julius Grabs per Foulelfmeter, an dem unser Keeper noch dran war, nachdem er kurz zuvor den Ball aber nicht richtig festhalten konnte und im Nachsetzen Tom Eichberger von den Beinen holte.
Schon vorher aber bereits Möglichkeiten für den Gast aus Gera. Kann der Ex-Scheubengrobsdorfer Maximilian Dörlitz, der seine Karriere nach eigenen Aussagen bei Westvororte beenden wollte, in der Sommerpause dann aber doch überraschend in Weida anheuerte, im letzten Moment stark gegen Mouctar Diallo klären, verfehlt kurz darauf ein Westvororte-Distanzschuss von Kapitän Tim Richter sein Ziel nur knapp. Westvororte präsent. Westvororte ohne Angst vor‘m FC Thüringen Weida, der trotz des Titels in der Saison 21/22 in der Sommerpause nochmals tüchtig aufgerüstet hat.
Vom Tabellenzweiten, jetzt, nach so gut 30 Minuten, nicht viel zu sehen.
Westvororte steht sehr tief. Damit kommt Weida nicht klar. Der eigene Spielaufbau oft zu fehlerhaft.
Wer dachte, dass der Ligameister unsere Jungs heute überrollt, musste sich eines Besseren belehren lassen. Westvororte tritt selbstbewusst auf, unterbindet den Spielaufbau des Gastgebers immer wieder laufstark. Leidenschaftlich kämpft man um jeden Ball. Viele intensive Zweikämpfe prägen das Spiel.
Eine Gelbe für uns und eine für den Ex-Scheubengrobsdorfer Eichberger sind die Folge. Kurz vor der Pause dann die Doppelchance zum Ausgleich. Erst kann Christoph Haase stark gegen Lenny Schumann parieren, dann hat er bei der fälligen ecke Glück, dass sich Maximilian Kurth und Philipp Rehnelt völlig freistehend beim Kopfball gegenseitig behindern.
Der Ausgleich wäre zu diesem Zeitpunkt verdient gewesen, aber entweder stand uns der starke Haase oder das eigene Unvermögen im Wege, so dass es mit der knappen Führung der Hausherren in die Kabine ging.
Durchatmen war bei besten spätsommerlichen Temperaturen und Sonnenschein bei den etwa 150 Zuschauern beider Lager angesagt. Kompliment an dieser Stelle an die Gastronomie der Sportfreunde aus Weida, bei der man auf sein Pausengetränk und das äußert leckere Rostbrätel nicht lange warten musste. So macht auswärts Laune, so macht Halbzeit Spaß. Danke!
Die zweite Hälfte beginnt mit forscheren Gastgebern. Man hatte sich wohl mehr vorgenommen, als das, was man seinen Fans in den ersten 45 Minuten präsentierte. So hatte nach Kopfball von Dominik Schmidt unser Torhüter gleich die Möglichkeit sich auszuzeichnen und kratzte den Ball mit den Fingerspitzen noch sensationell aus dem Angel. Stark, Jonas Tämmler! Zwischenzeitlich der zweite gelbe Karton für unsere Farben.
Die Zeit der Wechsel bricht an. Auf jeder Seite finden zwei derer statt. Für den TSV nun Markus Klotz und Benjamin Bohm im Spiel. Bei den Hausherren dürfen Marcel Hartmann und Tim Urban ran.
Die nächste ganz große Möglichkeit für die Gäste geht dabei fast unter. Daniel Zschille segelt knapp an der Flanke vorbei. Den muss er machen. Von Beruf her aber halt Abwehrspieler. Kein Vorwurf.
Obwohl der FC Thüringen Weida in Führung liegt, merkt man den Spielern und der Bank der Gastgeber eine gewisse Unzufriedenheit an. Und auch so ein klein wenig Unsicherheit und vielleicht gar etwas Angst. Angst davor, dass man seiner Favoritenrolle trotz Führung heute vielleicht nicht gerecht wird und der Abstand zum Tabellenführer Wismut Gera anwächst.
Weiterhin geht es tüchtig zur Sache. Auch Weida ist dabei nicht zimperlich. Und schon wieder können die Gastgeber durchatmen, denn auch die nächste große Möglichkeit für die Scheubengrobsdorfer führt nicht zum Ausgleich, denn Alex Roslyakov scheitert mit seinem Kopfball.
Aber es gibt noch einmal Ecke für uns. Und es wird diskutiert. Es wird hektisch. Zweimal Gelb-Rot nun in der 77. Minute. Auf der einen Seite erwischt es Tom Eichberger, bei uns muss Daniel Zschille vom Platz. Bosse Struz darf ihm nur zwei Minuten später folgen. Das Spiel hat weiterhin Derbycharakter. Es knistert.
Westvororte nun nicht nur im Rückstand, sondern die letzten 10-12 Minuten auch in Unterzahl. Weida sieht immer mehr wie der klarer Sieger aus und verlagert sich, während die ganz in blau gekleideten Gäste vehement auf den Ausgleich drücken, vermehrt aufs Kontern.
Nun auch die gelbe Karte für den Trainer des FC Thüringen. Westvororte stellt um und beordert Maximilian Kurth für die letzten Minuten nach vorn. Man muss nun noch mehr riskieren. Nur noch wenige Umdrehungen sind auf der Uhr, die erbarmungslos gen Schlusspfiff tickt, ohne dabei Rücksicht darauf zu nehmen, dass Westvororte den Ausgleich verdient hätte.
Dann Glück für unsere Jungs, als Dustin Schmidt die große Konter-Chance bei seinem Abschluss aus acht Metern leichtfertig vergibt und den Deckel nicht drauf macht. Das wäre es in der 89. oder 90. Minute dann wohl endgültig gewesen. Genau in dieser Phase hebt der Schiedsrichter seinen Arm und streckt drei Finger in die Höhe.
Westvororte versucht alles und läuft ins offene Messer. Doch abermals macht Weida in Person von Tim Urban bei einem der gefährlichen Konter den Sack nicht zu, so dass es zu einer letzten Möglichkeit für unsere Jungs kommt. Wir schreiben die 90. Minute, oder vielleicht sogar schon eine oder zwei Minuten mehr. Es geht hin und her, die Spannung ist kaum zu überbieten. Wir finden kaum die Zeit auf die Uhr zu schauen. Und wir erwarten jeden Moment ängstlich den ernüchternden Schlusspfiff.
Der Schiedsrichter, dem gar nichts anderes übrig bleibt, muss in dieser Phase nochmals je eine gelbe Karte für beide Kontrahenten verteilen. Das aber interessiert im Moment niemanden. Der Favorit spielt auf Zeit. Logisch.
Diese ist nun aber wirklich fast abgelaufen. Dann gibt es doch noch einmal Freistoß. Diesen einen letzten Freistoß. Freistoß für unseren TSV. Richter zieht ab. Abgefälscht. Abgewehrt. Ecke. Die bringt nicht viel ein, aber immerhin so viel, dass es noch eine Ecke gibt.
Wir sind schon drei Minuten über der Zeit. Oder vier. Weida fordert den Abpfiff. Die Ecke wird noch ausgeführt. Danach ist Schluss. Das ist jetzt definitiv die letzte Chance für uns! Auf den Trainer- und Ersatzbänken und auf der Tribüne sitzt keiner mehr.
Die Richter-Ecke fliegt nach innen. Weida mit fast allen Spielern im eigenen Strafraum. Westvororte auch. Plötzlich schreien auf dem Feld drei oder vier Leute ganz laut „Hand!“. Auch von der Tribüne her schallt dieser Ruf. Und auch Schiedsrichter Sebastian Blasse hat das Handspiel von Phillip Roy gesehen und entscheidet auf 11 m für Westvororte. Wir schreiben die 90. + 4 Minute.
Weida mit Veto. Verhaltener Jubel in unseren Reihen. Die Fans, die es mit unserer Mannschaft halten, starren fingernägelkauend gebannt Richtung Weida-Strafraum und auf den Punkt. Wer hat jetzt in dieser 90. + 4 Minute den Arsch in der Hose und tritt diesen für heute alles entscheidenden Elfmeter? Wer von unseren Jungs hat die Eier? Wer ist in einer Minute Hammer oder Amboss? Wer kann Held oder Buhmann werden?
Mann stimmt sich untereinander kurz ab. Dann schnappt sich, ohne dabei eine Miene zu verziehen, Philipp Rehnelt den Ball. Er legt ihn gefühlvoll auf den Punkt. Ein kurzer Blickkontakt mit Christoph Haase im Weidaer Tor.
Rehnelt geht ein paar Schritte zurück und bleibt stehen. Noch einmal atmet er tief durch. Er wirkt äußerst konzentriert. Von Aufregung keine Spur. Haase macht den Hampelmann, um unseren Schützen somit zu irritieren.
Rehnelt läuft an …
… schiebt den Ball mit der rechten Innenseite platziert ins linke untere Eck und …
… trifft!!!
Obwohl Haase die Ecke ahnt. Wahnsinn. Jubel. Alle rennen auf unsere Nummer # 2️⃣7️⃣, rennen auf Rehnelt zu. Der lässt sich jetzt so richtig feiern und feiert. Das hat der sich verdient. Dieser Eisvogel, dieser, den die Fans der Saarbach-Chaoten kurz nach dem Derby einstimmig zum Man of the Match wählten.
Aber nicht nur Pipo, wie Philipp Rehnelt von allen liebevoll genannt wird, die ganze Mannschaft hat sich das verdient. Mit einem überaus couragierten Auftritt beim haushohen Favoriten in Weida.
Ein ganz wichtiger Auswärtspunkt. Jungs, Klasse! Und wir? Wir haben uns heute das Extra Stück Zucker für den Sonntag-Guten-Morgen-Kaffee, der lange nicht sooo gut und süß geschmeckt hat, ebenfalls verdient.
Riesengroßes Kompliment von unserer Redaktion … und freundliche Grüße auch an den fairen Weidaer Tickerer bei Fupa, wer auch immer bei unseren Gastgebern gestern diesen „Job“ inne hatte. Egal!
Unseren Weiß-Blauen Geraer Jungs und den Scheubengrobsdorfer Fans, die gestern die rote Laterne an Geratal übergaben und am Abend in der Saarbach-Arena zum Oktoberfest den Sieg gemeinsam mit deftigem Essen, guter Laune, Tanzmusik und DJ Dr. Wolle ausgiebig gefeiert haben, ist das wohl auch so ziemlich egal.
Ohne Worte …
#ausgerafürgera
#newgeneration